Pilot mit Potenzial

Bestandsertüchtigung durch serielles Sanieren

Ein Fassadenelement, das jeden Moment mit dem Kran in die Luft gehoben und im Anschluss befestigt wird.

Ein Fassadenelement, das jeden Moment mit dem Kran in die Luft gehoben und im Anschluss befestigt wird.
Foto: VBW

Um CO2-Neutralität in Europa zu erreichen, müssen auch Wohngebäude bei uns in Bochum energetisch saniert werden. In der Mörikestraße erproben wir derzeit das Verfahren „Energiesprong“, das eine ebenso zügige wie nachhaltige und möglichst kundenfreundliche Sanierung der 32 Einheiten verspricht.

Stellen Sie sich vor, Ihr Wohnhaus wird energetisch saniert: Fassaden, Fenster und das Dach werden gedämmt, die Haus- und Wärmetechnik auf den neuesten Stand gebracht – und das in deutlich kürzerer Zeit als bei energetischen Vollmodernisierungen üblich, bei gleichzeitig hoher Qualität!

Illusorisch? Keineswegs! Im Angesicht des Klimawandels tüfteln Spezialisten in allen Ländern Europas an innovativen Methoden, mit denen sich Millionen betagter, ungedämmter und CO2-intensiver Wohnhäuser so sanieren lassen, dass Kosten und Ausführungsweise weder Mieter noch Vermieter in den Ruin treiben. Allein in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden gibt es derzeit rund 43 Millionen Wohnungen, für die es noch keine überzeugende Lösung zur energetischen Sanierung gibt. Dabei ist das eine wesentliche Voraussetzung, um in Europa bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.

Überaus vielversprechend ist da nun das aus den Niederlanden stammende Energiesprong-Prinzip („sprong“: niederländisch für „Sprung“), das sich am Fertighausbau orientiert: Dabei werden Gebäude mittels moderner 3D-Technik zunächst millimetergenau vermessen, anschließend werden Fassaden- und Dachelemente dann passgenau und in Serie hergestellt. Und der Clou: Fenster, Türen und Gebäudetechnik wie Lüftungen und Rollläden sowie Solartechnik sind in diesen Elementen meist schon fix und fertig integriert.

Am Ende werden die vorgefertigten Fassadenelemente dann wie eine zweite Außenhaut an das Gebäude gesetzt. Dazu werden Haken in die bestehenden Fassaden gebohrt, in denen die neuen Module eingehängt werden – fertig. „Von innen müssen dann nur noch die alten Fenster herausgenommen werden“, erklärt Norbert Finken, der bei der VBW im Bereich Unternehmensstrategie für Nachhaltigkeit verantwortlich ist; daher dauere dieser Sanierungsschritt à la Energiesprong oft nur wenige Tage.

Ziel ist der NetZero-Standard. NetZero beschreibt einen Gebäudestandard mit energetisch ausgeglichener Jahresbilanz – also den Zustand, in dem Treibhausgase in der Atmosphäre nicht mehr zunehmen, weil die sanierten Gebäude im Jahr selbst so viel Energie erzeugen, wie sie für Wärme- und Haushaltsstrom verbrauchen. 

Dieses Ziel verfolgt die VBW seit dem 14. Juli auch in Bochum-Harpen an einer Häuserreihe in der Mörikestraße aus den 1960er Jahren, einem Pilotprojekt für die energetische Gebäudesanierung mit NetZero-Standard. „Bei diesem Projekt arbeiten wir mit Wärmepumpen in den Wohnungen und mit Photovoltaik auf dem Dach“, erklärt der bei der VBW für Innovation verantwortliche Sebastian Eck. „Die PV-Anlagen werden dann so viel Energie produzieren, wie die 32 Wohnungen verbrauchen.“ Für den Betrieb der PV-Anlagen wurde eine Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Bochum vereinbart. Die Kunden können einen attraktiven Stromtarif wählen und somit direkt vom Strom-Ertrag des Gebäudes profitieren.

In den kommenden Wochen wird das Projektteam der VBW wohl sehr häufig in der Mörikestraße sein und den Baufortschritt verfolgen. Nicht zuletzt deshalb, weil es sich hierbei um die erste Energiesprong-Sanierung eines bewohnten Gebäudes in Bochum handelt. „Wenn die Umsetzung jetzt gut klappt“, sagt der zuständige Projektleiter Thomas Gumm aus der Bauabteilung, „dann können wir uns durchaus vorstellen, noch weitere Energiesprong-Projekte zu machen; 2022 zum Beispiel in der Wichernstraße in Bochum-Grumme.“

„Mit dem Energiesprong-Prinzip haben wir die Chance, innovative Lösungen, Nachhaltigkeit und bezahlbaren Wohnraum in Einklang zu bringen“, sagt Sebastian Eck, VBW-Teamleiter für Innovation. Durch das serielle Sanieren verfolgt die VBW vier Ziele:

1.    Verkürzte Sanierungszeiten durch seriell vorgefertigte Bauteile;
2.    CO2-neutrale Gebäude mit geringen Energiekosten;
3.    Nachhaltigkeit durch nachwachsende und hochwertige Materialien wie zum Beispiel Holz;
4.    Zukunftssicherheit für Bewohner und Vermieter durch eine langfristige Performance: Die am Projekt beteiligten Partner werden die Gebäude auch in Zukunft beobachten, um die Einhaltung des energetischen Standards sicherzustellen.

Interreg North-West Europe Mustbe0
In ihren Interreg-Projekten unterstützt die EU grenzüberschreitende Kooperationen, die das tägliche Leben nachhaltig beeinflussen, zum Beispiel das Projekt Mustbe0, das Sanierungen nach dem Energiesprong-Prinzip in Nordwesteuropa ankurbeln, erste Prototypen umsetzen und zur Marktreife bringen will. Erklärtes Ziel: Mehrfamilienhäuser mieterfreundlich auf einen Null-Energiestandard zu bringen. 

Zusammen mit 15 weiteren Projektpartnern aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden nehmen wir an diesem Projekt teil und sind damit einer der Haupttreiber des Energiesprong-Prinzips und des Themas „CO2-neutrale Gebäude“ in Deutschland. 

Aktuell sanieren wir in einem sowohl von der EU als auch von der KFW geförderten Pilotprojekt zusammen mit den Stadtwerken Bochum und B&O Bau NRW die Mörikestraße 8–14 mit 32 Wohneinheiten. Allein hier werden wir 92 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen können.

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