100 Tage danach: Birger von Bienert genießt Freiheit und neues Lebensgefühl

Rollstuhlfahrer schöpft wieder Hoffnung

Birger von Bienert ist froh, endlich wieder selbstständig vor die Tür zu kommen

Birger von Bienert ist froh, endlich wieder selbstständig vor die Tür zu kommen
Foto: VBW | Dominik Neugebauer

Birger von Bienert sitzt nach einer Amputation im Rollstuhl. Mit dem Umzug im September 2019 in eine neue Wohnung der VBW entstand ein völlig neues Lebensgefühl.

Jeder Mensch hat in seinem Leben Wünsche, Träume und Visionen – auch Birger von Bienert. Der 47-jährige war noch vor April 2019 kerngesund und stand vor einer Blutvergiftung mitten im Leben. Durch sie musste sein linkes Bein amputiert werden. Seinem Beruf als Security-Mitarbeiter konnte er nicht mehr nachgehen. Doch wie geht man mit solch einer Situation um? Von Bienert im Interview mit der VBW.

Dominik Neugebauer: Herr von Bienert, das neue Leben im Rollstuhl ist sicherlich nicht einfach. Welche Ziele hatten Sie?

Birger von Bienert: Ich hatte Ziele in meinem Leben, auf die ich hingearbeitet habe. Mit 14 habe ich bereits gearbeitet und war aktiv sehr viel unterwegs. Ich war als Sicherheits-Dienst eingestellt. Das klappt jetzt nicht mehr.

DN: Und den Job haben Sie geliebt.

BvB: Das war mein absoluter Traumberuf! Viel Kontakt zu Menschen und ebenso viele Lebensgeschichten, die man so mitbekommt. Eine schönere Arbeit gibt es nicht. Ich war sowas von happy in diesem Beruf.

DN: Und was ist mit dem privaten Leben? Was hat sich da geändert?

BvB: Simpel gesagt: Man hat keine Freunde mehr. Zwei oder drei kommen noch, aber viele Bekannte tauchen hier nicht mehr auf.

DN: Macht Sie das nicht traurig?

BvB: Traurig sein gibt es nicht, es gibt nur das Leben. Die richtig guten Freunde gibt es noch immer. Einen habe ich verloren, der wohnt einfach zu weit weg. Da komme ich mit dem Rollstuhl einfach nicht mehr hin.

DN: Sie haben durch eine Blutvergiftung ihr linkes Bein verloren. Wie kam es denn zu der Amputation, wissen Sie das noch?

BvB: Ich hab es noch gerade so selbstständig ins Krankenhaus geschafft, dann wurde es auf einmal dunkel. Teilweise habe ich immer wieder etwas mitbekommen, aber ich war nicht ganz bei mir. Als ich dann aufwachte, wollte ich aus dem Bett steigen.

DN: Aber das konnten Sie dann nicht.

BvB: Doch, schon! Aber steigen Sie mal bewusst aus einem Bett, ohne zu wissen, dass da ein Bein fehlt. Ich fiel mit voller Wucht auf den Boden und hatte die Krankenschwester gerufen. Nachts bin ich häufig aufgewacht, hatte Alpträume und war oftmals regungslos im Bett. Die ersten Tage nach der Operation konnte ich überhaupt nicht sprechen. Alle Besucher – Mutter, Schwester, Schulfreundin – hatten sich Sorgen um mich gemacht. Trotzdem habe ich überlebt.

DN: Wie hat sich denn das Leben mit dem Rollstuhl verändert?

BvB: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Zum nächsten Supermarkt brauche ich für eine einfache Strecke eine Stunde. Und der ist etwa 500 Meter von hier entfernt. Die Welt da draußen ist Rollstuhlunfreundlich. In der alten Wohnung war das ähnlich. Ich hatte zum Beispiel keine Möglichkeit, um ins Badezimmer zu kommen. Die Türen waren einfach zu klein dafür. Generell war ich auch immer auf andere Personen angewiesen. Das hat mich gestört, denn ich bin und bleibe noch immer ein eigenständiger Mensch.

DN: Wie lebt es sich denn jetzt hier in der rund 50 Quadratmeter großen Wohnung der VBW und was sind die Vorteile?

BvB: Ich fühle mich endlich wieder frei und kann mich im Rollstuhl bewegen. Ich kann einfach auf den Balkon, oder mit dem Aufzug vor die Haustüre fahren. Oftmals mache ich nichts anderes als einfach draußen zu sein, Leute zu beobachten und meine neue Freiheit sowie das tolle Lebensgefühl zu genießen. Das ist ein großer Vorteil. Ein weiterer ist das Duschen. Früher kam jeden Morgen der Pflegedienst. Der hat mir sechs Liter Wasser in eine Schüssel gefüllt, aus der ich mich waschen konnte. Das war sehr umständlich. Jetzt kann ich unter die Dusche, wann ich es will. Auch auf die Toilette zu gehen ist jetzt möglich. Für andere ist das völlig normal, für mich war es das mit Rollstuhl nicht. Wichtig ist mir die direkte Anbindung der Wohnung an die öffentlichen Verkehrsmittel. Perfekt! Besser geht es nicht.

DN: Und die neue Wohnung hatten wir auch schnell für Sie organisiert.

BvB: Das stimmt absolut. Die Kommunikation lief dabei zum Großteil über meine Schwester. Soweit ich das von ihr mitbekommen habe, war der Austausch mit der VBW sehr gut und unkompliziert.

DN: Aber das ist doch in Ihrer Situation auch mehr als angemessen.

BvB: Das denkt man vielleicht, aber mir wurden viele Steine in den Weg gelegt. Die VBW hingegen hat mir die Zeit gegeben, die ich für die restliche Organisation einfach gebraucht habe. Über ein Monat lang hat die VBW auf mich gewartet und war geduldig mit mir. Welcher Vermieter macht das? Während dieser Zeit hätte die VBW die Wohnung weitervermieten können. Dafür bin ich heute wirklich sehr dankbar. Hier zu wohnen ist auch für mich ein stückweit nach Hause zu kommen.

DN: Was meinen Sie damit genau?

BvB: Ich bin hier in diesem Haus geboren und im Quartier aufgewachsen. Dabei kann ich mich erinnern, wie ich hier vor der Türe als kleines Kind im Sandkasten gespielt habe. Ich bin also wieder zurückgekehrt und es ist ein schönes Gefühl, denn auch einige Nachbarn kenne ich noch von früher.

Selbstbestimmtes Wohnen
Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, haben spezielle Anforderungen an eine Wohnung. Selbstständig und frei zu wohnen sind dabei nur zwei wesentliche Komponenten von vielen. Marco Biewald, Abteilungsleiter der Vermietung, ist hierbei der richtige Ansprechpartner, wenn es um selbstbestimmtes Wohnen geht. Er ist gerne telefonisch unter +49 234 310-365 zu erreichen.

Kommunikation - Pressesprecher

Dominik Neugebauer
T +49 234 310-231
dominik.neugebauer(at)vbw-bochum.de

  
Wirmerstraße 28
44803 Bochum
mo-do  08-16 Uhr
fr            08-14 Uhr

ÖPNV-Haltestelle:
"Schulenburgstr./VBW"
oder "Buselohstraße"

Top